Azul sucht Gläubigerschutz unter Chapter 11
30.05.2025 Quelle: ch-aviation
Die brasilianische Azul Linhas Aéreas hat in den USA vor Gericht Gläubigerschutz nach Chapter 11 des US Konkursrecht beantragt, um sich unter dessen Schutzschirm zu Restrukturieren und insbesondere eine drückende Schuldenlast von etwa 2 Milliarden US Dollar abzubauen und neue Mittel in Höhe von 1.6 Milliarden Dollar aufzunehmen. Das Unternehmen hat bereits seit einige Monaten versucht, aussergerichtlich über eine Refinanzierung und einen Schuldenerlass zu verhandeln. Dabei konnten bereits 1.6 Milliarden Dollar Schulden abgebaut oder umgelagert, sowie 525 Millionen frisches Kapital aufgetrieben werden.
Von den nun unter Gläubigerschutz aufgenommenen frischen Mitteln in Höhe von 1.6 Milliarden Dollar soll knapp eine Milliarde zur Schuldentilgung verwendet werden, sowie 670 Millionen Dollar dafür genutzt werden, um die Liquidität und damit die Fortsetzung des Flugbetriebs während der Restrukturierung sicherzustellen.
Gegenüber der Newsagentur Reuters sagte der CEO von Azul, John Rodgerson, dass seine Airline immer noch unter den Verlusten während der Covid-19-Pandemie leidet. Unter dem konservativen Präsidenten Jair Bolsonaro war Brasilien während der Lockdowns den Fluggesellschaften seines Landes nur im geringen Ausmass zur Hilfe geeilt, so dass die Luftfahrt des Amazonasstaates wesentlich stärker von den Folgen des Lockdowns getroffen wurde als systemrelevante Fluggesellschaften anderer Länder einschliesslich Europas und Nordamerikas. Rodgerson hofft nun, dass es die Restrukturierung unter Chapter 11 Azul endlich erlauben wird, die Folgen der Pandemie zu überwinden und die Gesellschaft zu sanieren. Die beiden anderen grossen brasilianischen Linienfluggesellschaften, Latam Brasil und GOL Linhas Aéreas, haben beide zwischen 2020 und 2025 bereits ein Verfahren unter Gläubigerschutz nach Chapter 11 durchlaufen, und sich inzwischen restrukturiert.
Azul hat von den beiden US-Airlines American Airlines und United Airlines eine Zusage erhalten, dass sie sich an Investitionen über insgesamt 300 Millionen Dollar im Rahmen eins Shared Equity Agreements beteiligen würden, bei welchem die Investitionsgüter den Partnern gemeinsam gehören und die Früchte daraus geteilt würden. Auch der Leasinggeber AerCap kommt Azul anscheinend entgegen, während derzeit noch ungesicherte und offene Verpflichtungen über 355 Millionen Dollar bei der UMB Bank (USA), über 190 Millionen Dollar bei der Brasilianischen Luftwaffe sowie über 142 Millionen gegenüber dem Triebwerkhersteller General Electric bestehen, die Azul derzeit am stärksten belasten.
Obwohl Azul's sonderbemalter Airbus A330-243 PR-AIV - eines von 69 Flugzeugen, die Azul von AerCap mietet - grossflächig die Flagge und das Motto Brasiliens in die Welt hinaus trägt, hat Brasilien seine Luftfahrt in der Covid-19-Pandemie deutlich weniger stark unterstützt als andere Länder. Von der im Lockdown angehäuften Schuldenlast konnte sich Azul bisher nicht erholen, hofft aber, sich mittels Gläubigerschutz nach Chapter 11 des US Konkursrechts grundlegend sanieren zu können (Lukas Lusser, Fort Lauderdale, 15.1.15).
Azul Linhas Aéreas hat den Hauptsitz am Flughafen Viracopos nahe Saõ Paulo. Sie beschäftigt rund 16'000 Mitarbeiter, führt täglich rund 900 Flüge durch und betreibt eine Flotte von 194 Flugzeugen der Typen ATR 72 (36 aktiv, 6 geparkt), Embraer 190 (45 EMB190, 35 EMB190-E2, davon 64 aktiv), Airbus A320neo (48 aktiv, 2 geparkt), Airbus A321 (2 A321ceo-Frachter, 6 A321neo, alle aktiv), sowie Airbus A330 (5 A330-200, 7 A330-900N, alle aktiv). Hinzu kommen noch zwei geparkte Boeing 737-400F Frachter. Die Tochter Azul Conecta betreibt darüber hinaus 24 Cessna 208B Caravan auf Zubringerflügen für Azul.
Alle Fluggeräte sind gemietet; neben AerCap mit 69 Jets sind auch Aircastle, Avenue Capital Group, Avolon, Azorra, Azul Finance, BOC Aviation, Carlyle Aviation Partners, Castlelake, CDB Aviation, Chorus Aviation, DAE Capital, Elevate Capital Partners, ICBC Financial Leasing, Jackson Square Aviation, Nordic Aviation Capital, SKY Leasing, SMBC Aviation Capital, and TrueNoord Leasinggeber bei Azul. Die nun anstehenden Verhandlungen mit allen diesen Partnern im Rahmen des Reorganisations-Verfahrens unter Gläubigerschutz dürften also auch logistisch und verhandlungstaktisch einigen Aufwand bereiten.
Noch ist nichts darüber bekannt, welche Auswirkungen der Gang vor das US Konkursgericht zudem auf die geplante Fusion von Azul mit GOL haben wird. Keine der beiden Parteien hat sich bisher hierzu geäussert.