CityJet sucht Gläubigerschutz unter Aufsicht des Irischen High Court
31.05.2025 Quelle: Irish Times
Mit dem Verkauf ihres Anteils an der CityJet durch Air France an deutsche Investoren rund um Rudolf Wöhrl flogen die BAe 146 und Avro RJ der CityJet zunehmend auch für weitere Kunden im Wetlease. Sie verloren deshalb sukzessive die zuvor angebrachte Air France-Bemalung und erhielten wieder ein eigenständiges Design, hier auf der Avro RJ85 EI-RJS, die 2007 von Mesaba Airlines zur CityJet stiess (Lukas Lusser, Zürich, 29.2.12).
Das im Wetlease-Geschäft für Lufthansa und SAS tätige irische Unternehmen CityJet musste vor Mitte Mai 2025 infolge drohender Insolvenz Gläubigerschutz vor einem irischen Gericht beantragen. Nach einem ersten Hearing vom 30. Mai 2025 hat der zuständige Richter dem Antrag stattgegeben. Unter Aufsicht zweier Sachwalter hat CityJet nun 100 Tage Zeit, einen Plan zur Reorganisation des Betriebs auszuarbeiten und mit den Gläubigern, vor deren Zugriff sie in dieser Zeit geschützt ist, Wege zur Restrukturierung der Schulden auszuhandeln. Unmittelbarer Auslöser für die Schieflage des Unternehmens ist das bevorstehende Auslaufen eines ACMI-Vertrags mit der Lufthansa, was rund 1/3 der Geschäftstätigkeit des Unternehmens wegbrechen lässt.
CityJet nahm vor 31 Jahren den Betrieb auf, als sie die Strecke Dublin - London-City als Franchise der Virgin Atlantic aufnahm und hierfür eine BAe 146 in entsprechenden Farben in Dienst stellte. Nachdem sich Virgin zwei Jahre später dazu entschied, mit Virgin Express eine eigene Kurzstreckentochter zu lancieren, beendete sie die Franchise mit CityJet. Das junge irische Unternehmen versuchte danach, weiterhin auf eigene Rechnung von Dublin aus nach Brüssel, Málaga und London City zu fliegen, geriet aber in finanzielle Schieflage und ersuchte deshalb 1999 ein erstes Mal vor dem Irischen High Court um Gläubigerschutz, um sich zu reorganisieren.
oben: CityJet begann ihre Geschäftstätigkeit mit einem Franchise-Vertrag der Virgin Atlantic, bei dem die Iren mit ihrer ersten BAe 146-200 EI-JET die Strecke Dublin-London City Airport unter der Virgin-Marke bedienten. Da die Verbindung nur werktags beflogen wurde, stand das Flugzeug - es handelt sich bei ihr übrigens um die ehemalige HB-IXD der Crossair - an Wochenenden für andere Charterdienste zur Verfügung, so auch für saisonale Ski-Charter (Lukas Lusser, Genf, 9.3.96).
unten: Die Boeing 737-3H9 YU-ANK, die CityJet im Frühsommer 1996 kurzzeitig von JAT Yugoslavian Airlines anmietete, blieb ein Exote in der Flotte. Sie kam kurz nach der Auflösung der Franchise-Vereinbarung mit Virgin Atlantic auf den von CityJet nun in Eigenregie betriebenen Strecken ab Dublin nach Brüssel und Málaga zum Einsatz, zeigt sich hier aber wenige Tage nach der Rückgabe an JAT auf deren Linienflug aus Belgrad (Lukas Lusser, Zürich, 14.7.96).
Dies gelang durch eine Zusammenarbeit mit Air France, bei der CityJet der französischen Nationalairline zusätzliche Kapazität in Form von ACMI-Leases (Aircraft, Crew, Maintenance and Insurance) zur Verfügung stellte. Im Jahr 2000 erwarb Air France einen Mehrheitsanteil an CityJet, erweiterte die Flotte mit bis zu 30 BAe 146-200 respektive Avro 85, die auf den Europastrecken der Air France zum Einsatz kamen, so auch nach Zürich. Sie trugen dabei zunächst die Farben der Air France, später aber auch wieder die CityJet-Farben. 2014 wurde CityJet an deutsche Investoren verkauft, und die Zusammenarbeit mit Air France lief sukzessive aus. Stattdessen verschob sich das Schwergewicht der Tätigkeit ab 2015 auf Zubringer- und ACMI-Flüge für SAS. CityJet erwarb die beiden skandinavischen Fluggesellschaften Blue 1 und Cimber Air, worauf sich die Flottenpolitik auch weg von der Avro RJ und hin zu den verschiedenen Versionen der Canadair RJ verschob. 2016 kauften die irischen Gründer CityJet zurück. Im Rahmen eines ACMI-Vertrages mit Brussels Airline erwarb sie zudem ab 2016 sieben Sukhoi Superjet 100 aus russischer Produktion, deren Einsatz aber wegen teilweise langer Standzeiten aufgrund fehlender Ersatzteile mehr Sorgen als Freude machte, was dazu führte, dass das Kapitel SSJ bereits 2019 wieder beendet wurde.
Mit den Lockdowns der Covid-19-Pandemie geriet CityJet erneut in arge finanzielle Bedrängnis, da sie als ACMI-Partner als erste von Angebotsstreichungen betroffen war und anders als systemrelevante nationale Flagcarrier nicht auf schnelle Hilfe durch staatliche Stützungsmassnahmen hoffen konnte. Sie beantragte deshalb am 17. April 2020 zum zweiten Mal Gläubigerschutz vor irischen Gerichten, um sich zu reorganisieren. Sie konnte den Prozess bis August des folgenden Jahres abschliessen und die ACMI-Tätigkeit für SAS wieder aufnehmen. Allerdings war das Aufschnaufen von kurzer Dauer, denn im Juli 2022 ersuchte die selbst ebenfalls stark verschuldete SAS vor einem New Yorker Gericht um Gläubigerschutz nach Chapter 11 des US Konkursrechts, bei dem die Gesellschaft für die Dauer einer Sanierung unter gerichtliche Aufsicht gestellt wird. Das ursprünglich auf ein Jahr veranschlagte Verfahren einer Reorganisation dauerte deutlich länger, und während dieser Zeit konnte CityJet weder offene Forderungen gegenüber der SAS für die geleisteten Dienste ebenso wenig eintreiben (dies ist ja eben der Sinn des Gläubigerschutzes) noch belastbare Abmachungen über die zukünftige Zusammenarbeit mit der restrukturierten SAS treffen.
CityJet suchte das Heil in einer Flucht nach vorne. Zum einen fusionierte sie 2023 mit der spanischen Air Nostrum unter dem Dach der SARA-Gruppe (Strategic Alliance of Regional Airlines), mit der sie die gemeinsame Wet-Lease-Tochter Hibernian Airlines errichtete. Zudem schloss sie ein ACMI-Abkommen mit der Lufthansa ab, um fünf CRJ-1000 und zwei CRJ-900 auf deren regionalen Strecken zu betreiben, so gegenwärtig auch auf der Nachmittagsverbindung Frankfurt - Zürich. Zunächst war CityJet guter Dinge, dass die Zusammenarbeit mit der Lufthansa-Gruppe noch massiv ausgebaut werden könne, doch Angang dieses Jahres entschied sich der Lufthansa-Aufsichtsrat gegen diesen Ausbau und gegen eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit CityJet. Da der Vertrag mit Lufthansa deshalb nun Ende Sommerflugplan 2025 auslaufen wird, sieht sich CityJet angesichts des Wegfalls eines Drittels ihrer Aufträge wiederum in einer unsicheren Lage. 2023 hat das Unternehmen einen Verlust bereits von 16.8 Millionen Euro eingeflogen und insgesamt schon wieder Schulden in Höhe von 476 Millionen Euro angehäuft. Mit dem Wegfall des ACMI-Auftrags der Lufthansa-Gruppe droht der Verlust erneut stark zu steigen, so dass sich das Unternehmen bereits heute ausser Stande sieht, die geschuldeten Mietraten für ihre insgesamt 21 Canadair-Jets bei deren Eigentümerin EDC (Export Development Canada, der kanadischen Export-Finanzierung) zu begleichen.
oben: Bis zu 30 Einheiten der BAe 146-200 sowie ihrer Nachfolgeversion Avro RJ85 setzte CityJet im Wetlease für Air France auf innereuropäischen Routen ein. In den 2000er-Jahren waren sie Dauergäste auf der mehrmals täglich bedienten Strecke Paris-Charles de Gaulle - Zürich, so auch die BAe 146-200 EI-CNB, die CityJet aus Beständen der USAir erworben hatte (Lukas Lusser, Zürich, 13.1.07).
unten: Vor der Kulisse des Mont-Blanc-Massivs befindet sich der Sukhoi Superjet 100-95B EI-FWB von CityJet im Anflug auf Cointrins Piste 05 (Urs Ryser, Genf, 3.8.16).
In einer ersten Anhörung vor dem irischen High Court machte CityJet geltend, dass sich der zu erwartende Verlust im laufenden Jahr auf mindestens 35.8 Millionen Euro steigern wird, sofern der Betrieb fortgesetzt werden kann. Käme es dagegen zu einer sofortigen Insolvenz und Liquidation, würden sich die ausstehenden Forderungen schlagartig auf 177 Millionen Euro erhöhen, da hohe Konventionalstrafen fällig würden, wenn CityJet die noch laufenden ACMI-Verträge mit SAS (dreizehn Flugzeuge) und Lufthansa (sieben Flugzeuge) nicht mehr erfüllen könnte.
Das Gericht in Dublin hat deshalb zwei Sachwalter damit beauftragt, zu prüfen, ob und wie CityJet reorganisiert werden kann. Sie haben dafür 100 Tage Zeit, während der das Unternehmen dank der gemäss Angaben vor Gericht noch vorhandenen Reserven in Höhe von 7.7 Millionen Euro den Betrieb fortsetzen und auch die Löhne der 580 Angestellten bezahlen kann. Dem stehen unmittelbare Forderungen der Gläubiger in Höhe von 13 Millionen Euro gegenüber, hauptsächlich jene des Flugzeugeigners EDC, deren Mietraten CityJet seit Februar 2025 nicht mehr bezahlt hat. EDC hat deshalb bereits mit American Airlines vereinbart, dass sie die 14 CRJ-900 bis Ende April 2026 übernehmen wird, wobei CityJet bis zu diesem Zeitpunkt insgesamt 21.6 Millionen Euro an Mietraten und Unterhaltskosten aufbringen muss, wenn sie die Flugzeuge bis zur Übergabe an die Regionaltöchter der American Airlines weiter betreiben will. EDC hat gegenüber dem Gericht nun aber signalisiert, dass sie zu einem teilweisen Verzicht auf diese geschuldeten Beträge Hand biete.
CityJet hofft auf einen positiven Abschluss des Gläubigerschutz-Verfahrens. Sie erwartet zwar, als geschrumpftes Unternehmen daraus hervorzugehen, baut aber darauf, weiterhin als ACMI-Partner im Auftrag der SAS auf regionalen Strecken fliegen zu können. Bestehende und neue Investoren sollen dafür dem Unternehmen unter die Arme greifen. Die Hoffnung ruht dabei in erster Linie auf der spanischen Air Investment Valencia, die über die erwähnte Holdinggesellschaft SARA 80% des Kapitals an der CityJet und Air Nostrum hält. Weitere 20% gehören irischen Investoren. An ihnen wird es liegen, ob und zu welchen Konditionen ein Sanierungsplan zustande kommt und die bestehenden Schulden restrukturiert werden können. Das Gericht sieht gemäss dem vorsitzenden Richter jedenfalls kein Hindernis darin, dass CityJet bereits zum dritten Mal ein derartiges Verfahren durchläuft, da die Umstände des aktuellen Falles andere Ursachen und Umstände hat als das vorangehende Restrukturierungs-Verfahren von 2020.
unten: Derzeit fliegt CityJet noch mit 13 Bombardier CRJ-900 wie der EI-GEC im Wetlease für SAS. Die Flugzeuge dieser Zusammenarbeit sind überwiegend ganz in Weiss mit einem winzigen Sticker neben der Passagiertüre oder vereinzelt in neutralisierten SAS-Farben unterwegs. Sie kommen sowohl europaweit wie auch innerhalb Skandinaviens zum Einsatz (Lukas Lusser, Bergen, 30.5.23).